Fremde Texte

Landschaften des Augenblickes
Zu den Arbeiten von Klaus-Jürgen Wittig

Die Aquarelle von Klaus-Jürgen Wittig sind eine Einladung. Der expressive, fast intuitive Pinselduktus lädt zum Dialog zwischen Objekt und Farbe. Ausgangspunkt ist meist die Natur; Landschaften zuweilen auch architektonische Landschaften, denen der Künstler auf seinen Reisen und Erkundungen begegnet: Die Tiroler Berge, die Kurische Nehrung, China, Brandenburg oder der Jakobsweg werden in den Aquarellzyklen zum Thema. In diesen intimen Gesprächen dominiert die Farbe. Die Farbe scheint die Form des Dargestellten förmlich aufzusaugen, jedoch nur, um sie im nächsten Augenblick zu überschreiben, zu sprengen oder sogar aufzulösen. Dennoch verschwindet die Form nicht gänzlich, sie wird vielmehr in Farbe transformiert und erhält dadurch eine ganz neue Qualität. Es entstehen Farbsymphonien, in denen die Form sich der Abstraktion nähert, ohne sich völlig in ihr zu verlieren.
„Es malt von selbst“, beschreibt der Künstler seinen Arbeitsprozess und erinnert mit dieser Referenz auf das Unbewusste an die „peinture automatique“ der Surrealisten.
Die intuitive Malweise scheint zunächst im Gegensatz zu Klaus-Jürgen Wittigs Beruf als Techniker zu stehen, in dem das Geplante und Rationale oberste Priorität hatten. Für den Künstler stand die Malerei aber nie in Opposition oder Konkurrenz zu seiner beruflichen Tätigkeit, sondern bildete auf seinem (Lebens-)Weg von Beginn an das Komplementär.
Seine künstlerische Arbeitsweise hat sich aber im Laufe der Jahre tiefgreifend gewandelt. Begonnen hat Klaus-Jürgen Wittig mit Federzeichnungen, die dann ausaquarelliert wurden. Im Laufe der Zeit wurde die Farbe immer freier und autonomer. Heute dient die Form vor allem als Movens seiner abstrahierten Farblandschaften. Seine kleinformatigen Federzeichnungen waren zunächst Illustrationen seiner Reiseerzählungen.
Heute sind die Aquarelle poetische Reisebilder. Diese verwandeln die Landschaften von Gomera, Griechenland oder Spanien in kraftvolle und zugleich flüchtige Momentaufnahmen. Sie sind „Ausdruck des Erlebten“ (K.-J. Wittig). Dabei kehrt die Schrift in den neueren Arbeiten zuweilen als grafisches, verdichtendes Element ins Bild zurück.
Klaus-Jürgen Wittig ist zuallererst ein Reisender, der die Dinge der Natur sammelt und in seltene Momente transformiert. Dabei gehen das Licht, die natürliche Jahreszeit und die eigene Stimmung eine Verbindung ein, die sich in der Farbigkeit der Bilder materialisiert.
Die besondere Kraft dieser Bilder entsteht durch die ihnen innewohnende Ambivalenz zwischen dem Bleibenden, dem Konstanten und dem Flüchtigen, Vergänglichen unseres Seins. Die Objekte und Landschaften verwandeln sich bei Klaus-Jürgen Wittig in Augen-Blicke voller Zauber.
Lassen wir uns auf die Einladung ein! Entdecken wir im inneren Monolog dieser Werke die Schönheit und Verletzlichkeit unserer Welt.

Barbara Höffer, Berlin 2015

Berg*Welten – Impressioni montane
Ausstellung Galerie 90 Mühlbach, Südtirol 2008

Gerne habe ich die Aufgabe übernommen, hier, zur Eröffnung dieser Ausstellung, ein paar Worte der Einführung zu sprechen, bin ich doch Jürgen Wittig seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und daher habe ich seinen Weg als Zeichner und Maler mit Anteilnahme und Interesse verfolgt. Ich will jetzt nicht sein Leben, seine Biografie schildern, die ja den meisten der hier Anwesenden zumindest in groben Zügen bekannt sein dürfte. Es ist aber doch aufschlussreich zu betrachten, wie parallel und sich ergänzend seine berufliche bzw. seine künstlerische Ausbildung erfolgt.
Ende der 50er Jahre schließt er das Studium der Werkstofftechnik in Karl-Marx-Stadt ab, nimmt gleichzeitig Zeichenunterricht bei Prof. Bammes Kunstakademie Dresden. Anschließend arbeitet er als Qualitätsmanager in bekannten Unternehmen, zuletzt bei der Fa. Durst in Brixen.
In geradezu stürmischen Ausbildungswellen verbessert er seine berufliche und künstlerische Qualifikation, indem er über ein mehrjähriges Fernstudium Diplome in Betriebswirtschaftslehre und Design erwirbt.
In den 70er Jahren entstehen Publikationen auf den Gebieten von Technik und Management und wohl auf Anregung seiner Frau Traudl Oberrauch-Wittig und seines Schwiegervaters Luis Oberrauch Publikationen auf dem Gebiet der Landeskunde. Ich erwähne nur zwei, eine hervorragende Arbeit über den in Südtirol angesiedelten Roman von Carl Zuckmayer „Salvare oder die Magdalena von Bozen“ (gemeinsam mit Traudl Oberrauch-Wittig) oder jüngst im „Schlern“ eine Genealogie der Familie des Schwiegervaters Luis Oberrauch-Gries.
Für seinen künstlerischen Weg bedeutend sind der Malunterricht bei diversen Malern und der Besuch der Kunstkurse im Kloster Geras im Waldviertel.
Bedeutsam für ihn als Maler sind sicher die zahlreichen Wanderungen, die ihn mit Traudl durch die schönen (und damals noch unzerstörten) Landschaften Südtirols führen. Denn gerade die Landschaft und die Berge sollten ein wichtiges Sujet für seine Bilder werden (Berg-Welten).
Eine besondere Stärke Traudls waren die Reiseschilderungen, die sie in verschiedenen Zeitschriften, aber auch als Privatdrucke veröffentlichte. Ich erinnere mich noch genau, wie Jürgen begann, dazu Illustrationen zu schaffen, die sich bald zu den kleinformatigen Bildern verselbständigten. Bei diesen Bildern stand das grafische Element im Vordergrund, es waren scheinbar rasch hingeworfene Skizzen, in unruhiger, wenn auch starker Linienführung mit zurückhaltender Farbgebung. Der Zweck war ja schließlich die Illustration des Geschilderten – die Zeichnung, das Bild im Dienste des Textes.
Doch allmählich setzte eine Entwicklung ein, bei der das grafische Element nun stärker in den Hintergrund tritt, als würde Jürgen die netzhaften (graphischen) Strukturen Schritt für Schritt abwerfen und gewissermaßen zur Freiheit der Farbphänomene gelangen.
Eine interessante Zwischenstation auf diesem Weg sehe ich in den großformatigen Blumenbildern, die auf dem Freigelände der Fa. Durst in Brixen ausgestellt waren. Die Farbe gewinnt in freier Führung ihr Eigengewicht und wird zum leuchtenden Ausdruck des Lichtes.
Im Jahre 2007 hat Jürgen gemeinsam mit anderen Künstlern die Gruppe „Handwerker der Farbe“ gegründet. Nach ihrer eigenen Aussage ist ihnen gemeinsam, dass sie unabhängig von den Materialien im Sinne Emil Noldes „aus der Farbe die Form“ bilden. Die Wiederentdeckung der Farbe als zentrales Mittel der bildenden Kunst ist ihnen – wie sie schreiben – Hauptaufgabe und Herausforderung, und so entstehen in Jürgens neuesten Bildern farbige Flächenspiele, bei denen sich Körper und Form zunehmend in Luft- und Lichträumen auflösen, ohne dass sich das zugrunde liegende Landschaftsmotiv völlig in Abstraktion verflüchtigt. In lockeren, leichten Pinselstrichen entstehen spontan wirkende Momentaufnahmen, bei denen die expressive Naturbegeisterung Jürgens deutlich sichtbar wird.
Die Aquarelltechnik macht es ja notwendig, Licht und Farbe rasch zu fixieren, da keine Korrektur mehr möglich ist. Sie ist für Jürgen gleichsam Absprungbrett für eine interessante Auseinandersetzung mit der Farbe.
Ich wünsche, dass die glühenden Farbakkorde in Jürgens Bildern viele Betrachter begeistern und wünsche ihm von Herzen viel Freude und viel Erfolg auf seinem künstlerischen Weg.

Marjan Cescutti, Bozen

Seine Sommer sind größer geworden
Ausstellung „Atempause“
Klaus-Jürgen Wittig, Aquarelle, und Traudl Oberrauch-Wittig, Texte
Rathausgalerie Brixen, Südtirol, 15. bis 26.11.1996

Genau genommen sind wir ja gekommen, um zu schauen und nicht um zu hören. Und ich selbst muss gestehen, dass ich mir des Widerspruches wohl bewusst bin, wenn ich einem bildenden Künstler und sein Werk im und mit dem Wort begegnen soll. Dazu kommt noch, dass in dieser Ausstellung ja nicht nur die Aquarelle von Klaus-Jürgen Wittig Zwiesprache mit uns halten wollen, sondern auch die in sie hinein und aus ihnen heraus gewobenen Texte seiner Gemahlin Traudl. Da ist es schon ein wenig vermessen, dieser Ganzheitlichkeit noch etwas hinzuzufügen.
Wenn ich dennoch den Versuch wage, so nicht nur, um das Ritual einer Ausstellungseröffnung mit zu erfüllen, sondern er ist mir willkommene Gelegenheit, einen bescheidenen Dank für unverdiente Freundschaft abzustatten. Und so will ich mich denn dem Wort anvertrauen, zunächst einmal dem, dass ihr selbst als Vorgabe für eure Ausstellung gewählt habt: dem Wort „Atempause“. Einmal ganz nüchtern und sozusagen statistisch gesehen, es war eine lange Atempause, die ihr euch verordnet habt. Immerhin 12 Jahre sind ins Land gezogen seit deinem letzten öffentlichen Auftritt als Maler. Doch so, glaube ich, wolltet ihr die Atempause auch nicht verstanden wissen.
Für mich sind alle Bilder von Klaus-Jürgen Wittig Atempausen. Eine Art Exkurs aus seiner Berufswelt der Technik, der er auch nach seiner festen Anstellung eng verbunden ist. Für mich sind es bewusste Atempausen im Leben eines Technikers aus Berufung und Überzeugung. Keine Zufälligkeiten. Nicht Flucht und auch nicht das sprichwörtliche Salz in der Alltagssuppe. Nicht von ungefähr verlaufen die Wege seiner beruflichen mit jener seiner künstlerischen Selbstverwirklichung von Anfang an nahezu parallel. Es ist die Suche der verlorenen Ganzheitlichkeit von Kunst und Technik, wie er selbst im Vorwort zur Ausstellung schreibt.
Atempausen sind Aussparungen im engen Geflecht, im engen Geflecht von Raum und Zeit, von Wachsen und Vergehen, von Licht und Schatten, von Pflicht und Freiheit, von Tun und Lassen, Reden und Schweigen, Morgen und Abend. Atempausen sind Chancen, Auswege und Umwege zu suchen und zu finden, zu neuen Ufern unter anderen Horizonten am ewig gleichen Strom des Lebens auf unserer schönen bunten Erde.
Vielleicht liegt auch darin begründet, dass Jürgen Wittig das Aquarell als seine Ausdrucksform dafür gewählt hat. Aussparungen sind ureigenste Wesensmerkmale dieser Kunstform. Aquarelle sind Kinder des Augenblicks, der kleinen Maßeinheit der Zeit. Einmal versäumt, ist er nicht mehr einzuholen; einmal gelebt, nicht mehr zu verlieren. Aquarelle sind wahr. Sie dulden keine nachträglichen Korrekturen. Im Aquarell ist alles im Fluss. Es trennt und vereint auf wundersame Weise, was sich begegnen muss oder voneinanderstrebt. Es öffnet weit und ist doch wieder geschlossene Welt in sich. Sind das nicht Botschaften, auf die zu hören es sich lohnt? Vor allem, wenn sie so unaufdringlich, ehrlich, frei und gekonnt an uns herangetragen werden. In einer Atempause, von Jürgen Wittig.
Ihm, den der schicksalhafte Lauf der Geschichte aus dem Norden zu uns geführt hat, muss bestätigt werden, dass seine Malerei – und dies vor allem in den letzten Jahren – inhaltliche Weitung unter südlichem Licht erfahren hat. Er hat hier Heimat gefunden, die ihm Welt ist und eine Welt, die ihm Heimat sein kann. Ihr widmet er in seinen Aquarellen seine Verbundenheit, sein Staunen, seinen Weg, den Dingen Seele zu geben. Der Landschaft gehört, wenn auch nicht ausschließlich, seine Malerliebe. Und seine Landschaftsbilder sind mit Pinsel, Feder und Farbe nachgefühltes Atemholen der Schöpfung und des Schöpfers.
Er ist dabei immer dem Augenblick und darum vielleicht dem Wesentlichen auf der Spur. Dem Haus, dem Baum, dem Acker, der Kirche, dem Hügel, dem Berg, dem Fluss, dem See und dem Meer. Und der Lust, der Stille, den Tönen, der Trauer, der Heiterkeit, dem Großen und dem Unscheinbaren dazwischen. Seine Landschaftsbilder sind spannend, weil er im scheinbar Festgefügten, Endgültigen, In-sich-Ruhenden, den Zauber des Wandelbaren, immer wieder neu zu Deutenden und zu Entdeckenden erkennt und erschließt. Seine Bilder wecken Neugier, machen Lust, selbst aufzubrechen, dorthin, wo sich seine Hügel weiten, seine Bäume Schatten werfen, seine Häuser plaudern, seine Kirchen träumen, seine Äcker fruchten, seine Wasser leuchten. Ganz gleich, ob in seiner Wahlheimat, im Vinschgau, am Gardasee, in der Toskana, auf Kreta oder wie sonst die geografischen Fixpunkte der Wanderschaft heißen mögen. Er lädt ein, Atempausen einzulegen und, wie Traudl Oberrauch-Wittig zu einem Bild vermerkt: „Hier sich erinnern, wie alles angefangen hat. Hohes Licht, saumloses Meer, Küste. Geh hin und schau. Du vergisst alle menschliche Eitelkeit“.
Lassen sie mich noch ein Wort zur Farbigkeit in den Bilderzählungen von Jürgen Wittig sagen. Er setzt sie nach wie vor sehr differenziert ein. Aber – und dem, der seine früheren Arbeiten kennt, wird dies besonders deutlich – seine Palette ist üppiger, mutiger, südlicher, seine Sommer größer geworden.
Und seine spitze Feder weicher. Dabei suche ich sie so gerne, diese Linien und Bögen, die Struktur geben und Halt, Tiefe und Standpunkt. Die bündeln und herholen, was sich zu verlieren droht. Ja, ich mag sie, gleich ob sie klar und eigenständig gezogen sind oder in der Farbe aufgehen und nur mehr Spuren sind im Fließen zur Ganzheitlichkeit. Ähnlich ergeht es mir mit den Texten von Traudl Oberrauch-Wittig, erstmals in dieser Form zu erleben. Sie kommen aus einer geübten Feder. Ihr Gang ist uns aus vielen Publikationen seit vielen Jahren vertraut. Auch ihre Sprachpartituren sind Botschaften, denen man sich gerne anvertraut. Diesmal vermag ich zudem ein besonderes Klingen auszumachen, das aus dem gemeinsamen Erleben der Landschaften kommt, zu denen sie gehören. Ich spüre die eine Quelle, aus der Bild und Text gemeinsam geschöpft haben. Jeder still auf seine Weise. Um es mit Karl Heinrich Waggerl zu sagen: “Gott liebt das Leise“. Und so sind sie mehr als nur Ergänzung, mehr als Verdichtung eines Inhaltes. Es sind eigenständige Geschöpfe, die durchaus auch alleine Bestand haben. Ich lese sie als Epigramme, im ursprünglichsten Sinne des Begriffes verstanden. Und doch auch wieder als Wegweiser zum Ganzen.

Robert Pöder, Bozen

Das Eigenleben des Aquarells
Zur Ausstellung von J. Wittig in der Galerie Athesia/Brixen im April 1984

Die kleinformatigen Architektur- und Landschaftsskizzen von Jürgen Wittig aus Brixen sind aufmerksamen Kunstfreunden sicher schon da und dort in natura oder in Reproduktionen auf der Bergsteigerseite in den „Dolomiten“ oder im „Schlern“ begegnet. Seit ihm durch Heirat Südtirol zur Wahlheimat geworden ist, hat er sich auf Reisen und Wanderungen viel mit der Zeichnung beschäftigt.
J. Wittig ist gebürtiger Berliner (1938), aufgewachsen ist er jedoch in Dresden, wo ihm Prof. Bammes von der Kunstakademie 1959 bis 1960 Zeichen- und Malunterricht erteilt hat. Seine rasch zu Papier gebrachten, kolorierten Federzeichnungen sind seit einigen Jahren dem reinen Aquarell gewichen. Über Anregung und Anleitung der Salzburger Künstlerin Irma Raphaela Toledo ist Wittig von jeglicher Vorzeichnung abgekommen, um sich ganz mit der Aquarelltechnik auseinanderzusetzen – mit jenem faszinierendem Medium also, dass keine Korrektur erlaubt, wohl aber Konzentration, Sicherheit und Schnelligkeit erfordert. Es ist eine Technik, die letztlich nie ganz in den Griff zu bekommen sein wird. Der Entstehungsprozess eines Aquarells ist zwar in einem gewissen Maße steuerbar, wegen des Elementes Wasser aber nie ganz fassbar.
Die Venedig-Aquarelle in seiner ersten Einzelausstellung in der Athesia-Galerie sind lichte, leichte und besonders flüssig gemalte Impressionen der Lagunenstadt. Daneben finden sich Aquarelle vom Gardasee, von den angrenzenden Veroneser Bergen und vom Peloponnes. Vor allem aber treffen wir vertraute Motive aus dem Eisack- und Etschtal, dem Sarn- und Fersental sowie von Castelfeder und den Küchelberg bei Auer im Unterland. Anstelle der vormals bevorzugten kühlen Grüntöne sind wärmere Grün-Braun-Akkorde getreten, die als Komplementärfarbe das warme Zinnoberrot der Dächer besonders zum Leuchten bringen.
In kluger Selbstbeschränkung scheint sich J. Wittig einzig auf die anspruchsvolle Aquarelltechnik mit ihren fließenden Farben und verschwimmenden Konturen zu konzentrieren. Damit baut und schichtet er seine eher kleinen Bilder auf. Er beschränkt sich also auch im Flächenmaß und vermeidet so Verlegenheitslösungen, zu den die „großformatigen“ Aquarellisten manchmal greifen müssen, die vergessen, dass die Bildqualität nicht unbedingt an ein Format gebunden ist. Der Südtiroler Josef Mahlknecht hat uns dies immer wieder demonstriert.

Josef Gasteiger, Bruneck

Eigene Texte

Räume – Farben – Assoziationen

Heimat ist für mich weniger ein Ort, an dem ich mich (nur) wohl fühle, sondern ein Raum, in dem ich auf vielfältige Weise eingebunden bin. Es ist ein Raum, aus dem ich Anregung und Ruhe schöpfe, ein Raum, der mir Anstoß für Entwicklung gibt und wo ich mitdenkend und mitgestaltend wirken kann.
Früh kam ich in meinem langen Leben als Sachse nach Südtirol, Italien, und war dort nicht nur im gängigen Wortsinn, sondern im soeben dargelegten Sinn beheimatet.
Anfangs geschah Malerei quasi nebenbei, beschäftigte mich aber das ganze Leben. Ich probierte Öl und Feder, Tempera und Aquarell. Beim Aquarell ist es dann geblieben. Bis heute. Das Malen begann zunächst mit dem Darstellen von Details, mit dem Kopf also. Später malte ich „aus dem Bauch“ – bis heute. Genauso entwickelte sich die Farbwahrnehmung.
Und hier möchte ich etwas ausführlicher werden: Anfangs war es eine sehr realistische Farbwiedergabe der vorgefundenen Objekte, meist der Natur. Doch dann, ganz allmählich, änderte sich das Farbmuster.
Das inspirierte besonders meine Aquarellmalerei, die ich parallel zu meinem technischen Beruf betrieb. Sie wurde durch das Leben im Süden stark beeinflusst und intensiviert, besonders durch unzählige Reisen in die Mittelmeerländer. Die Schönheiten, die friedliche Atmosphäre dieser Räume, die freundlichen Menschen, das wunderbare Licht zählen zu meinen unvergesslichen Erinnerungen wie auch das Wahrnehmen von Gegensätzlichem und Widersprüchen.
Diese Eindrücke und die damit verbundene Vielfalt der Motive in der südländischen Natur in ihrer unglaublichen und lebendigen Farbigkeit haben mich und die Wahl meiner Farben geprägt.
Dies war ein Prozess, der mich in dem Bemühen veränderte, nicht nur das Gesehene, sondern auch das Gefühlte bewusst ins „Bild zu setzen“. Aufgrund dessen war ich selbst erstaunt, dass ich selbst bei Reisen in den Norden meine „Mittelmeerfarben“ verwendete und später Betrachter meine Bilder und deren Farben oft mit positiven oder beruhigenden Gefühlen wahrnahmen. Offensichtlich scheinen „meine Farben“, die auch auf mich in dieser Weise wirken, diese Gabe zu haben.
Jetzt ist „mein Raum“ Brandenburg. In diesem weiten Land mit seinem Wasser, seinen großen Steinen und dunklen Wäldern dominieren „meine Farben“. Und von dieser neuen Heimat aus gibt es Exkursionen in bevorzugte Länder, auch in den Norden.
Meine Farben nenne ich „Farben für die Psyche“. In der Regel verwende ich sechs Grundfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und das Weiß des Aquarellpapiers. Meine Malweise ist abstrakt und folgt, wie auch die Farbauswahl, meiner augenblicklichen Intuition. Die Motive finde ich vor allem in der Natur. Wenn ich nicht sofort malen kann, fotografiere ich und male später. Das Motiv habe ich stets vor Augen und der Malvorgang läuft dann quasi automatisch ab – eben „aus dem Bauch“. Die Form des Objektes, der Objekte verändert sich, die Farbe wird komplett anders. Das Weiß des Papiers ist integraler Bestandteil des Bildes, das eher aus kleinen Farbflächen komponiert wird. Manchmal verwende ich einen schwarzen Aquarellstift, um die Konturen des Motivs deutlicher herauszuarbeiten.
Teilweise tragen meine Bilder kurze Texte – Reflexionen, Assoziationen zum Bild.

Jürgen Wittig, 2020

Farbe für die Wand
Farbpsychologische Fassadenmalerei

Zu allen Zeiten war bei der Erzeugung von Dingen der Hersteller schöpferischer Entwerfer und gleichzeitig ausführender Handwerker. Kunst und Technik bildeten also eine fruchtbare Symbiose. Mit Beginn der Industrialisierung und der Massenerzeugung im 18. Jahrhundert wurde diese Einheit aufgegeben. Seitdem hat der Hersteller, die Industrie, keine künstlerische Beziehung mehr zum Gegenstand.
Die Technik hat sich mit den Naturwissenschaften verbunden und die Beziehung zur Kunst aufgekündigt. Das hat zur Hebung des Lebensstandards in heutiger Zeit geführt. Die Grundlage bildet das Prinzip der Rationalisierung.
Die Gebrauchsgegenstände müssen jetzt nützlich sein, erschwinglich, nicht unbedingt anziehend. Auch verschiedene Initiativen, wie die von Schinkel und Beuth 1821 in Berlin, die englische „Art and Crafts Movement“ von W. Morris, der Jugendstil um die Jahrhundertwende und das von W. Gropius 1919 gegründete Bauhaus in Weimar änderten nichts an dieser Tatsache. Auch Ansätze unseres heutigen Industriedesigns sind sicher zu wenig. Entwurf und Ausführung sind getrennt und, was noch wichtiger ist, der Entwerfer ist kein Künstler, er ist Konstrukteur, er ist Techniker. Ja selbst in der Technik liegt nicht alles in einer Hand. Es existieren Spezialisten für jede Sparte. Die Ganzheitlichkeit ist verloren gegangen. Die Funktion steht im Vordergrund, die Wirtschaftlichkeit, der Preis. Dabei wird die Umwelt, die Natur, genauso in Mitleidenschaft gezogen wie die Kunst.
Das ist die eine Seite. Die zweite Seite ist die Konzentration auf die Farbe.
In der Technik wird, wie schon beschrieben, die Form in die Gestaltung mit einbezogen. Die Farbe wird zu wenig oder gar nicht berücksichtiget. Dabei sollte sie dominieren, hat sie doch die besseren Möglichkeiten künstlerisch tätig zu sein. Dabei ist bei der Farbgestaltung wichtig, die Harmonie der Farben zu gestalten.
Harmonie entsteht durch das Zusammenspiel verschiedener ausgewählter Farben mit abstrahierten Flächen.
Ich verwende diese Farben im meinen Aquarellen. Wenn man die Bilder betrachtet, so dominiert die Farbe Rot. Gleichzeitig spielen Orange, Gelb, Grün und Blau eine Rolle. Aber auch das Weiß ist wichtig, sind es doch die freien Flächen beim Aquarell.
In der Regel verwende ich sechs Grundfarben inklusive der weißen Farbe des Aquarellpapiers. Diese Grundfarben erweitern sich auf zwölf Töne, wobei zwei Goldtöne erst in jüngster Zeit dazugekommen sind.
In der Technik, zum Beispiel in der Architektur, sollte man vor allem diese Grundfarben kombinieren und flächig verwenden. Die Fläche soll Ruhe in das Ensemble bringen. Sie soll zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Entspannung dienen und die oft farblose Architektur auflockern.
Die nachfolgenden Beispiele zeigen Farbkombinationen, die ein positives Gesamtbild ergeben.

Klaus-Jürgen Wittig, Berlin 2019

Farben für die Psyche

Die Komponenten der Malerei wie Form und Farbe beeinflussen sich wechselseitig und wirken sowohl in ihrer Einheit als auch jeweils als einzelnes Charakteristikum auf den Malenden sowie den Betrachter.
Nachfolgendes wurde mir eigentlich erst in späteren Jahren bewusst:
Meine Malerei wurde stark beeinflusst und intensiviert durch unzählige Reisen in die Mittelmeerländer. Die Schönheiten, die friedliche Atmosphäre dieser Gebiete, die freundlichen Menschen, das wunderbare Licht zählen zu meinen unvergesslichen Erinnerungen.
Diese Eindrücke einerseits und die Vielfalt der Motive in der südländischen Natur in ihrer unglaublichen und lebendigen Farbigkeit andererseits haben mich und damit die Auswahl der von mir verwendeten Farben geprägt.
Das war ein Prozess, in dem ich mich offensichtlich selbst verändert habe in dem Bemühen, nicht nur das Gesehene, sondern auch das Gefühlte bewusst ins „Bild zu setzen“.
Insofern war ich zwar zunächst erstaunt, dass ich beispielsweise bei Reisen in den Norden diese „Mittelmeerfarben“ verwendete oder dass Betrachter die Farbigkeit meiner Bilder mit positiven oder beruhigenden Gefühlen besetzen.
Aber offensichtlich scheinen diese Farben, „meine Farben“, die auch auf mich ähnlich wirken, diese Gabe zu besitzen.
Meine Malweise ist abstrakt und folgt, wie auch die Farbauswahl, meiner augenblicklichen Intuition.
Die Motive finde ich vor allem in der Natur. Wenn ich dort nicht sofort malen kann, fotografiere ich und male später. Das Motiv habe ich stets vor Augen, der Malvorgang läuft dann aber quasi automatisch ab: Ich male „aus dem Bauch“. Die Form verändert sich, die Farbe wird komplett anders.
Das Weiß des Papiers ist integraler Bestandteil des Bildes, wobei die Komposition des Bildes aus eher kleinen Farbflächen besteht.
Manchmal verwende ich einen schwarzen Aquarellstift, um die Konturen des Motivs deutlicher herauszuarbeiten.
Ich male sehr schnell und verändere nichts mehr im Nachhinein: Das Bild ist entweder stimmig oder wird aussortiert.

Klaus-Jürgen Wittig, Berlin 2019

Malen als Therapie
Es begann in einem Kloster

Es kommt vor, dass jemand in ein Kloster geht. Für immer oder nur kurzzeitig. Letzteres gilt auch für mich. Aber der Reihe nach.
Für mich war ein Kloster eine Art Rettung. Allerdings nicht auf meditative oder religiöse Weise, sondern über die Malerei.
Meine damalige Frau erkrankte Anfang des neuen Jahrtausends neuerlich an Krebs. Ein Rezidiv. Der erste Ausbruch der Krankheit war nach der Heilung vergessen. Wir hatten den Krebs vergessen, der Krebs aber nicht uns. Eine Palliativbehandlung begann an einer Uniklinik. Hervorragende Ärzte, eine tapfere Frau dazu.
Ich war damals selbstständig und beriet Unternehmen. Das Geschäft lief gut. Ich war voll ausgelastet. Was angesichts der Situation tun?
Ich schränkte meine Marketingaktivitäten ein und reduzierte mein Arbeits-volumen, um Zeit für meine Frau, für uns zu haben.
Malen – vom Nebenbei zum Lebenswichtig. Nach der strapaziösen Therapie war meine Frau für den Rest des Jahres wieder neugierig auf neues Er-Leben. So waren wir in dieser Zeit viel unterwegs und genossen die gemeinsamen Erlebnisse.
Nach drei Jahren, die anstrengenden Therapien forderten ihren Tribut, schenkte mir meine Frau ein Aquarell-Seminar in einem Kloster. Die Kursleiterin war Christine Huber, eine Malerin aus Herzogenburg, Österreich.
In den Jahren 1963 bis 1966 hatte ich neben meiner Tätigkeit als Qualitätsleiter einer Optikfirma ein Fernstudium als Designer absolviert und ab 1984 auch Bilder ausgestellt. Aber für die Malerei blieb neben meinem Beruf wenig Zeit.
Das sollte sich ändern. Ein Malkurs brachte einen motivierenden Anschub. Ich begann verstärkt zu aquarellieren. Das Malen half mir, mit dem drohenden Verlust umzugehen.
Malerei als Therapie. Das umso mehr, als 2004 meine Frau starb. Ich war zwar darauf vorbereitet, aber das Ende war unfassbar. Tage später habe ich meinen Schmerz beim Hören der vierten Sinfonie von Mendelssohn Bartholdy hinausgeschrien. Es klang vermutlich wie das Schreien der Klageweiber, die ich bei einer Beerdigung auf der Mani in Griechenland erlebt hatte. Danach fühlte ich mich „besser“.
Im gleichen Jahr besuchte ich zwei Seminare bei Christine Huber aus Österreich. Eines davon auf der griechischen Insel Samos. Ich setzte die jährlichen Seminare bis 2007 fort. Teilweise auch im Kloster.
2006 begann ich eine intensive Ausstellungstätigkeit.
Ich habe bis heute 20 Einzel- und Gruppenausstellungen selbst bestritten oder mitgestaltet. Hinzu kommt: Ich habe eine Frau kennen- und lieben gelernt und bin zu ihr nach Berlin gezogen. 2014 haben wir geheiratet.
Ich fühle mich gut und bin dafür sehr dankbar.
Das Aquarell passt zu mir. Und ich male immer noch. Die Maltechnik, die zu mir – zu meiner Art der Wahrnehmung und meinem Welt-Blick – passt, ist auch nach Jahrzehnten noch das Aquarell.
Ich betreibe seit vielen Jahren Qigong, die chinesische Art von Bewegung, Konzentration und Meditation. Sie entspricht meinem Wesen. Sie gehört jetzt zu mir, charakterisiert auch meine Malerei. Die Malerei kommt bei mir von innen. Das Motiv ist zwar fast immer die Natur, aber danach ist nichts mehr „realistisch“. Ich male gewissermaßen aus dem Bauch. Das ist sehr intuitiv.
Das Bild ist fertig, bevor es zu Papier gebracht ist. Es wird nur noch ausgeführt – in einem relativ kurzen Prozess.
Die Farbe spielt dabei die Hauptrolle. Ich bevorzuge Rot, aber auch Gelb, Grün und Blau spielen eine Rolle.
So entstehen minimalistische Momentaufnahmen, FarbMomente eben.
Das Malen und das gemalte Bild regen die eigenen Selbstheilungskräfte an und auch die Betrachter werden positiv beeindruckt.
Die Malerei hat mir neben der beruflichen Arbeit, der eigenen Trauerarbeit, meiner neuen Liebe, der Familie und meinen Freunden aus der größten Krise meines Lebens geholfen.
Die Malerei ist für mich Lebens-Ausdruck und Lebens-Bewältigung.
Meine todkranke Frau half mir dabei, indem sie mich ins Kloster zum Malen schickte.

Klaus-Jürgen Wittig, Berlin 2019

FarbMomente

Meine Malerei spiegelt unsere schnelllebige Zeit.
Sie ist schnell, intuitiv, abstrahiert, minimalistisch, farbbetont.
Sie stemmt sich zugleich dieser Schnelllebigkeit und Hast entgegen.
Sie hebt Momente unserer Lebenswelt heraus und hält sie fest – auch in ihrer Flüchtigkeit. Der Fokus richtet sich auf die Natur, auf die Landschaft. Hier suche und finde ich meine Motive. Diese Auswahl geschieht sehr bewusst: Mal richtet sie sich auf eine „Gesamtheit“, ein anderes Mal auf die Details. Die Jahreszeit, die Lichtverhältnisse, meine eigene Verfasstheit spielen eine Rolle.
Nicht immer gelingt es mir, den Moment, den Ausschnitt so zu spiegeln, dass das Vergänglich-Flüchtige ebenso sichtbar wird wie das Bewährte. Stimmung und innere Ausgeglichenheit (oder nicht) spielen eine Rolle.
Früher, in meinem Berufsleben als Techniker, schwankte das Niveau beträchtlich. Manche Bilder bezeugten mehr das Flüchtige, stellten sich dem Hastigen nicht entgegen.
Aber in Momenten der inneren Ruhe konnte ich den Augen-Blick im Wortsinn nutzen und ihn gestalten.
Mein damaliges Lebensumfeld südlich der Alpen ermöglichte nicht wenige solcher Momente. Später, nach dem Berufsleben, wurde die Malerei zu einer selbstverständlichen Form meiner Lebensäußerung.
Begonnen habe ich mit kleinformatigen Federzeichnungen zu Reiseschilderungen.
Später wurde das Format großflächig. Die Feder verschwand und wurde durch den Pinsel ersetzt, der immer größere Dimensionen annahm.
Die Farbe bekam ein ganz neues Gewicht, aber auch das Spontane beim Malen. Zugleich wähle ich meine Objekte, Umweltausschnitte sehr sorgfältig aus, sitze dann zum Malen davor oder skizziere sie.
Die Maltechnik, die unverändert über die vielen Jahrzehnte zu mir und meinem Welt-Blick passt, ist das Aquarell.
Seit Längerem begleiten mich die entsprechenden Utensilien auf vielen Wanderungen und Reisen: Sie sind gut transportabel. Im Notfall hilft das Foto beim Festhalten der Momentaufnahme am sicheren Ort.
Ich habe immer noch großen Respekt vor einem weißen Blatt Papier. Diesen Widerstand muss ich jedes Mal überwinden. Aber was sich dann entwickelt, hat mit dem Kopf nichts mehr zu tun.
Das ist eine Zwiesprache zwischen dem Objekt und der Farbe. Dabei tritt das Objekt immer mehr in den Hintergrund.
Die Farbe dominiert und unterstreicht die abstrakte Form. Die kräftige Farbe wird mit energischen Pinselstrichen aufgetragen – nass auf trockenem Papier. Das Farbmischen findet auf dem Papier statt.
Es ist dann ein intuitives Malen aus dem Bauch heraus und findet auch so spontan sein jeweiliges Ende.
Es entstehen minimalistische Momentaufnahmen, FarbMomente eben.
Das sind aus meiner Sicht mehr als Abbilder unserer schnelllebigen Welt. Sie zeigen auch ihre Fragilität und Schutzbedürftigkeit.

Klaus-Jürgen Wittig 2015

Farben

Farben und Formen gehören zusammen, bilden eine Einheit.
Allerdings gibt es Schwerpunkte. Bei mir ist es die Farbe.
Die Wahrnehmung über das Auge zur Verarbeitung im Gehirn ist sicher ein Kind des Augenblicks. Und der kann sehr intellektuell sein. Bei mir spielt in der Malerei das Gefühl eine große Rolle.
Die Erfassung des Objektes in der Natur dient als Ausgangspunkt. Hier findet ein Festhalten statt, was für den Beginn sehr wichtig ist. Aber schon bald danach löst sich die Tätigkeit vom Intellekt, sie erfolgt nicht mehr rational, sondern „aus dem Bauch heraus“. Das malt dann von selber und hört auch von selber auf. Das sollte dann stimmen. Es lässt sich nicht verbessern, sondern nur ablehnen.
Und dabei spielt sicher die Farbe die größere Rolle. Aber auch Formen sind beteiligt. Strukturen prägen das Bild mit.
Die Farbe aber dringt in die Tiefe des menschlichen Bewusstseins.
Beim Malen, aber genauso beim Betrachten.
Um mit Kandinsky zu sprechen: „So ist es klar, dass die Farbharmonie nur auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der menschlichen Seele beruht.“1
Und Goethe sagt dazu: „Die Farbe tut etwas.“1
Sie berührt als das menschliche Unterbewusstsein und führt zu Empfindlichkeiten, die auch therapeutisch wirksam werden können.
Nun zu meiner Malweise:
Ich aquarelliere und dabei führt das Aquarell zum Verlaufen von Formen und Farben, auch ungewollt.
Es entsteht oft ein Ergebnis, das nicht „programmierbar“ ist.
Es ist oft durchsichtig, das Weiß des Malgrundes spielt eine große Rolle.
Das Ergebnis ist im höchsten Maße „malerisch“.
Für mich geeignet zum raschen, spontanen und auch gefühlsbetonten Aufnehmen aller visuellen und auch psychologischen Elemente.
Die Form ist zwar beteiligt, aber untergeordnet.
Dazu Emil Nolde: „Wenn ich die Farben zu vollen Akkorden steigere, schien anderen bisweilen die Form entschwunden, sie ist immer da, aber tief liegend.“1

1Walter Koschatzky: Die Kunst des Aquarells, München (dtv) 1985

Klaus-Jürgen Wittig 2009

Den Dingen Seele geben

Zu allen Zeiten war bei der Erzeugung von Dingen der Hersteller schöpferischer Entwerfer und gleichzeitig ausführender Handwerker. Kunst und Technik bildeten also eine fruchtbare Symbiose.
Mit Beginn der Industrialisierung und der Massenerzeugung im 18. Jahrhundert wurde diese Einheit aufgegeben. Seitdem hat der Hersteller, die Industrie, keine künstlerische Beziehung mehr zum Gegenstand. Die Technik hat sich mit den Naturwissenschaften verbunden und die Beziehung zur Kunst aufgekündigt. Das hat zur Hebung des Lebensstandards in heutiger Zeit geführt. Die Grundlage bildet das Prinzip der Rationalisierung. Die Gebrauchsgegenstände müssen jetzt nützlich sein, erschwinglich, nicht unbedingt anziehend.
Auch verschiedene Initiativen, wie die von Schinkel und Beuth 1821 in Berlin, die englische „Art and Crafts Movement“ von W. Morris, der Jugendstil um die Jahrhundertwende und das von W. Gropius 1919 gegründete Bauhaus in Weimar änderten nichts an dieser Tatsache.
Auch Ansätze unseres heutigen Industriedesigns sind sicher zu wenig.
Entwurf und Ausführung sind getrennt, und was noch wichtiger ist, der Entwerfer ist kein Künstler, er ist Konstrukteur, er ist Techniker.
Ja selbst in der Technik liegt nicht alles in einer Hand. Es existieren Spezialisten für jede Sparte.
Die Ganzheitlichkeit ist verloren gegangen. Die Funktion steht im Vordergrund, die Wirtschaftlichkeit, der Preis. Dabei wird die Umwelt, die Natur, genauso in Mitleidenschaft gezogen wie die Kunst.
Allerdings regt sich jetzt wieder Hoffnung. Es gibt wieder Bestrebungen hin zur Qualität, zur Ästhetik, zur Verbesserung der Umwelt, zur Zusammenfassung der einzelnen Disziplinen, zur Ganzheitlichkeit.
Diese Ganzheitlichkeit versuche ich als Techniker zu erreichen, indem ich aquarelliere. Indem ich versuche, die Natur zum Objekt zu machen. Die Natur durch Interpretation zu vergeistigen. Nicht wie in der Photographie realistisch wiederzugeben, sondern sie zu erkennen und zu verarbeiten, zu abstrahieren.

Jürgen Wittig, Brixen 1996